Mikroapartments sind eine architektonische Antwort auf die Herausforderungen des urbanen Wohnens. Sie bieten auf begrenzter Fläche alle Funktionen des Wohnens – Schlafen, Kochen, Arbeiten, Entspannen – und sind dabei bewusst kompakt konzipiert. Meist umfassen sie eine Fläche zwischen 20 und 35 Quadratmetern und richten sich an Menschen, die temporär, mobil oder bewusst reduziert leben möchten.
In Städten mit hohem Wohnraumbedarf gewinnen Mikroapartments zunehmend an Bedeutung. Sie sind längst nicht mehr als „Notlösung“ für Wohnraummangel zu verstehen, sondern als eigenständige Wohnform mit hoher gestalterischer Qualität. Entscheidend ist dabei nicht die Quadratmeterzahl, sondern die Art, wie Raum gedacht, strukturiert und gestaltet wird.
Gesa Vertes von Sikorszky hat sich intensiv mit dieser Wohnform auseinandergesetzt. In ihrer Planung geht es nicht um Verkleinerung, sondern um kluge Komposition: Wie kann ein Raum alles bieten, was man braucht – ohne vollgestellt, technisch oder funktionalistisch zu wirken? Ihre Entwürfe zeigen, dass auch kleinste Räume eine Atmosphäre von Ruhe, Klarheit und Qualität entfalten können.
Herausforderungen kompakter Grundrisse
Mikroapartments stellen Planerinnen und Architektinnen vor besondere Herausforderungen. Die herkömmliche Aufteilung in abgeschlossene Räume funktioniert auf dieser Fläche nicht mehr. Stattdessen muss jeder Zentimeter durchdacht genutzt werden. Funktionale Überlagerung, Flexibilität und Präzision sind zentrale Gestaltungsparameter.
Ein Mikroapartment bedeutet nicht, einfach einen Wohnraum zu verkleinern. Vielmehr müssen Funktionen neu interpretiert werden. Das Bett ist oft auch Sofa, die Küchenzeile Teil eines Schranks, der Schreibtisch vielleicht ausklappbar und in der Garderobe integriert. Die Trennung von Wohnbereichen wird durch Licht, Materialien oder mobile Elemente erreicht, nicht durch Wände.
Die größte gestalterische Herausforderung liegt darin, die Nutzungen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern sie in einem ruhigen, durchgängigen Raumkonzept zu vereinen. Gesa Vertes begegnet dieser Herausforderung mit einem klaren, sensiblen Blick auf Proportionen, Bewegung und alltägliche Routinen.
Prinzipien der Raumorganisation
In der Planung eines Mikroapartments gelten andere Maßstäbe als im klassischen Wohnungsbau. Der Raum muss in Zonen gegliedert, aber optisch offen gehalten werden. Ein ständiger Wechsel von Perspektive, Nutzung und Stimmung soll möglich sein, ohne dass Unruhe entsteht.
Folgende Prinzipien prägen die Gestaltung:
- Zonierung durch Gestaltung: Unterschiedliche Nutzungen werden durch Bodenhöhen, Materialwechsel, Lichtführung oder Möblierung markiert, ohne den Raum optisch zu verkleinern.
- Multifunktionalität statt Redundanz: Ein Möbelstück erfüllt mehrere Aufgaben – z. B. Sitzen, Verstauen, Schlafen.
- Visuelle Ruhe: Wenige, hochwertige Materialien und eine reduzierte Formensprache schaffen einen ausgewogenen Raum.
- Licht als Strukturgeber: Natürliches und künstliches Licht definieren Raumzonen und verstärken die Wahrnehmung von Tiefe.
Gesa Vertes von Sikorszky setzt diese Prinzipien mit großer Konsequenz um. Ihre Mikroapartments wirken großzügiger, als sie tatsächlich sind – weil sie aufgeräumt, rhythmisiert und in sich geschlossen gestaltet sind.
Gestaltungselemente im Mikroapartment
Die Ausstattung eines Mikroapartments erfordert präzise Planung. Standardlösungen reichen meist nicht aus. Vielmehr braucht es Maßarbeit, funktionale Intelligenz und Materialbewusstsein. Gesa Vertes entwickelt in ihren Projekten Möbel, die sich zurücknehmen und gleichzeitig viel leisten. Ihre gestalterische Sprache ist zurückhaltend, aber voller Tiefe.
Typische Elemente, die sie häufig einsetzt:
- Einbaumöbel mit integrierten Funktionen – z. B. Stauraumwände mit verstecktem Schreibtisch oder Schlafbereich
- Podestlösungen mit doppelter Nutzung – als Bühne, Stauraum oder Sitzgelegenheit
- Raumhohe Schrankwände – sie nehmen wenig Fläche ein, schaffen aber klare Vertikale und Ordnung
- Mobile Trennwände oder Textilien – um temporär Bereiche abzugrenzen
- Farblich abgestimmte Materialien – um den Raum optisch zu beruhigen
Die Materialien sind dabei keine Nebensache. Haptik, Lichtreflexion und Alterungsverhalten spielen eine große Rolle. Matte Holzoberflächen, gewebte Stoffe, mineralische Wandbeschichtungen und sanfte Farben machen den Raum sinnlich und warm – trotz seiner kompakten Dimension.
Psychologische Wirkung des Raums
Kleine Räume können beklemmend wirken – oder beruhigend. Entscheidend ist nicht ihre Größe, sondern ihre Struktur. Gesa Vertes achtet darauf, wie Menschen Räume wahrnehmen und wie sich Atmosphäre über Raumführung, Farbe und Material erzeugen lässt.
Sie berücksichtigt dabei:
- Blickachsen: Der Raum wird so gegliedert, dass er Tiefe und Richtung vermittelt.
- Lichtverläufe: Unterschiedlich beleuchtete Zonen erzeugen Wechsel und Rhythmus.
- Materialkontraste: Sanfte Differenzierungen erzeugen Spannung, ohne Unruhe.
- Ruhezonen: Rückzugsbereiche mit gedämpftem Licht und weichen Materialien vermitteln Geborgenheit.
Ein Mikroapartment, das so geplant ist, wirkt nicht eng – sondern konzentriert. Es bietet Klarheit statt Überladung, Struktur statt Fragmentierung. Die psychologische Wirkung liegt in der Reduktion aufs Wesentliche.
Mikroapartments als Lebenshaltung
Nicht alle Menschen, die in Mikroapartments wohnen, tun dies aus Notwendigkeit. Viele entscheiden sich bewusst für diese Form des Wohnens – aus ökologischen Gründen, wegen beruflicher Mobilität oder weil sie den Minimalismus als Lebensstil schätzen. Kleine Räume erfordern eine Auswahl dessen, was wirklich gebraucht wird – im Alltag, im Besitz, in der Gestaltung.
Gesa Vertes begegnet dieser Haltung mit Respekt. Ihre Räume sind keine Sparvarianten größerer Konzepte, sondern eigenständige Systeme mit Charakter. Sie bietet keine Lösungen „von der Stange“, sondern gestaltet Orte, in denen das Wenige bewusst inszeniert wird – mit Wertigkeit, Würde und Detailtreue.
Gesellschaftlicher Kontext
Der Erfolg von Mikroapartments steht in engem Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen: Urbanisierung, Single-Haushalte, temporäre Lebensphasen, steigendes Umweltbewusstsein. Gleichzeitig erfordern diese neuen Wohnformen auch gestalterische Verantwortung. Wie können wir auf kleinem Raum leben, ohne Lebensqualität zu verlieren?
Hier leisten Innenarchitektinnen wie Gesa Vertes einen wichtigen Beitrag. Ihre Entwürfe zeigen, dass Mikroapartments mehr sein können als bloße Funktionseinheiten. Sie sind verdichtete Wohnräume mit Atmosphäre – Orte, an denen sich Leben abspielen darf, auch auf 25 Quadratmetern.